Christian

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Meine erste Begegnung mit Melanie hatte ich als sie noch bei Renate im Bauch war. Ich fühlte, wie sie durch Bauchdecke trat oder boxte. Es war ein schönes Gefühl sie durch den Bauch zu streicheln und mitzuerleben, wie sie immer größer wurde. Am 18.02.1977 um 4:23 Uhr wurde meine Tochter geboren. Ich war froh und glücklich, dass mein erstes Kind gesund war. Es war ein schöner Moment, so einen kleinen Menschen, unsere Tochter auf den Armen zu haben, sie das erste Mal zu drücken, diese Kleine gibt einem schon so viel Wärme. Ich will immer schützend meine Hände über sie halten, ob mir das gelingt?

Täglich verbringe ich so viel Zeit mit ihr wie es meine Arbeitszeit erlaubt. Ich füttere sie, wickle sie, albere mit ihr herum, das Leben hat einen neuen Sinn bekommen. Ich habe eine kleine Familie und einen Dackel. Melanie machte ihre ersten Erfahrungen mit einem Hund, der bekam auch noch 6 Welpen und alles krabbelte um die Wette. Ich ging mit Melanie im Tragetuch durch den Wald, sie schaute immer nach oben zu den Baumkronen.

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2 ½ Jahre nachdem Melanie geboren wurde, wird ihr Bruder Bastian geboren. Es war ein sehr schöner Augenblick für uns drei. Nun hat Melanie einen Bruder, der auf allen Abenteuern mitgenommen wird. Bastian musste ihr Spiel mitmachen, sie sagte “den habt ihr doch extra für mich gemacht”. Ab einem gewissen Alter bekam er seinen eigenen Kopf, er wollte ein anderes Spiel spielen und er bekam seinen Willen. Beide kamen in den Waldorfkindergarten und in die Waldorfschule.

Weihnachten 1995 planten wir einen Urlaub ohne Kinder, denn sie waren ja schon alt genug. Doch die Planung hatten wir ohne unseren Zwei gemacht, sie bekamen von unserem Vorhaben Wind und sagten: “wo wollt ihr hin, nach Rom? Da kommen wir mit”. Dies war der letzte gemeinsame Urlaub. Es war ein sehr harmonischer Urlaub.

Kurz nach dem Urlaub lernten wir Gerd kennen und wir erfuhren, dass sie sich vor dem Urlaub kennengelernt hatten. Wir haben mit den Beiden viele lustige Stunden verbracht, manchmal bis tief in die Nacht. Melanie und Gerd zogen zusammen und es dauerte nicht lange bis sie sich einen Setter aus dem Tierheim holten. Melanie arbeitet prima mit ihrem ersten eigenen Hund. Gerd hat auf einer seiner beruflichen Fahrten auf einem Hof zwei kleine Zwergdackel herumlaufen sehen. Er sagte so zum Scherz, wenn schon ein zweiter Hund, dann so was kleines. Zwei Wochen später stand in der Zeitung “Hilfe ich muss ins Tierheim, ein kleiner Zwergdackel abzugeben”. Melanie war schnell am Telefon und es hat gepasst. Nun hatten sie zwei Hunde, Bea und Senta.

Melanie und Gerd heirateten am 02.10.2000. Es war ein sehr schönes Fest. Eigentlich wollten die beiden eine Hochzeitsreise machen aber dazu kam es leider nicht mehr.

Melanie hatte einen Nebenjob in einer kleinen Spielothek in Adelebsen, es war wie ihre kleine Sozialstation, der Kaffee war umsonst und die Oma von nebenan brachte den Kuchen mit. Ein netter Ausländer fragte, ob Melanie beim Ausfüllen von Dokumenten behilflich sein könnte. So oder ähnlich war ihr persönlicher Arbeitstag in der Domino Spielothek.

Im Herbst 2001 musste Senta aus gesundheitlichen Gründen eingeschläfert werden. Kurz danach fanden sie durch die Zeitung einen Golden Retriever. Belana heißt der neue Hund

Am 28. März 2002 haben wir Melanie auf der Geburtstagsfeier von Gerds Schwester das letzte mal gesehen, ich habe Melanie zum letzten Mal im Arm gehalten.

Am 30. März fahren wir nach Stuttgart mit Eintrittskarten, die uns die Kinder geschenkt haben, Tanz der Vampire. Das Wochenende war gut und Ostermontag waren wir wieder zu Hause.

Am Ostermontag gegen 21:30 Uhr klingelt das Telefon, Renate geht an den Apparat, ich höre nur, wie Renate wiederholt “die Spielothek wurde überfallen und Melanie ist TOT”, Ich schreie “Nein, das darf doch nicht wahr sein”. Wir fahren auf dem schnellsten Weg nach Adelebsen. Ich auf dem Beifahrersitz rufe Bastian per Handy an, er möchte nach Adelebsen kommen, es sei etwas passiert. Umso dichter wir dem Ort kamen, umso mehr zitterten meine Knie, es darf nicht wahr sein. Der Notarztwagen stand vor der Spielothek, vielleicht ist doch noch was zu “retten”, dachte ich. Der Notarzt und der Kommissar kamen auf uns zu und mussten uns leider mitteilen, dass jede Hilfe zu spät kam. Melanie ist tot. Was ist mit mir los, ich bin nur noch am zittern, der Arzt gibt mir eine Beruhigungsspritze. Ich kann und will es nicht begreifen, unsere Melanie wurde ein Opfer von einem Verrückten. Es hat laut Polizei eine Eskalation von Gewalt stattgefunden, sie hat Schnittwunden am Unterarm, im Gesicht, Stichwunden in der Brust und im Rückenbereich. An Händen und Füßen mit Klebeband verschnürt. Der Feuerlöscher und eine gedrechselte Holzstange, die von der Theke rausgerissen wurde, traf den Kopf und diese Schläge waren tödlich. Mir wird beim Schreiben kalt und ich bekomme wieder dieses Zittern. Melanie war eine zarte, junge Frau, sie hatte keine Chance dieses zu überleben. Warum musste ihr Leben mit 25 Jahren so enden?

Bastian kam zu dem Gedanken für Melanie einen Brief zu schreiben und in den offenen Sarg zu legen. Gerd, Renate und ich fanden den Gedanken sehr gut, so dass jeder einen Brief schrieb und ihn ihr in den Sarg legte. Es war ein unbeschreiblich schwerer Abschied, ich glaube dieser Augenblick hat sich bei uns eingebrannt. Gerd wohnte zwei Wochen bei uns und wir machten jeden Weg gemeinsam und gewisse Entscheidungen fielen in der Gemeinschaft leichter. Wir haben beschlossen ein Bild von Melanie bei der Urnenbeisetzung vor die Urne zu stellen und wir wollten ein Lied in der Kapelle spielen. Es war erst nicht so einfach eins zu finden, Bastian hat das Lied ‚Bright Eyes’ von Art Garfunkel vorgeschlagen, welches es auch geworden ist. Bei der Trauerfeier sprach der Redner davon, dass die Seele des Täters verflucht sei bis in alle Ewigkeit.

Jemand hat gewaltsam ein Stück Leben von mir gerissen. Wenn Kinder sterben, stirbt die Zukunft, wenn Eltern sterben, stirbt die Vergangenheit. Wie geht mein Leben weiter?

Christian Klammer

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